Prof. Dr. phil. Jens Gaab ist Professor für klinische Psychologie und Psychotherapie an
der Universität Basel. Er lädt uns mit folgenden Worten in sein Forschungsgebiet ein:
«Die Geschichte der Behandlung ist die einer fortwährenden Suche nach wirksamen Therapien und
Interventionen, wobei diese Wirkung oft nicht mehr als der sogenannte Placeboeffekt war bzw. ist. Um
das zu ändern, wurde ab Mitte des letzten Jahrhunderts mit dem placebo-kontrollierten Studiendesign
der Goldstandard der klinischen Interventionsforschung etabliert, der das therapeutische Spreu vom
wirksamen Weizen trennen soll. Das Placebo wird als Statthalter für alles therapeutisch Unerwünschte
gesehen, wobei alles, was besser als das Placebo ist, dann als „wirksam“ anerkannt wird. Das führt zu
verschiedenen paradoxen Situationen. Erstens werden damit an sich wirksame Behandlungen dann als
unwirksam angesehen, wenn sie nicht besser als das Placebo sind. Zweitens werden die dem Placebo
inhärenten Kräfte – in der Regel die therapeutische Beziehung und die Erwartungen und Hoffnungen –
damit zur therapeutischen Paria und drittens öffnet das Tür und Tor für scheinbar wirksame
Behandlungen, die nur deswegen wirksam sind, weil das Placebo, gegen das sie verglichen werden, so
konzipiert ist, dass es eigentlich nur verlieren kann. Aus klinisch-ethischer Sicht ist das Paradox einer
eigentlich wirksamen Intervention, die man nicht einsetzen darf, weil sie auf Täuschung beruht, wohl
das prominenteste Problem. Interessanterweise – beziehungsweise bedauerlicherweise – wird dieses
Problem oft damit gelöst, dass man anstelle von wirksamen, aber unerlaubten Placebo dann oft wenig
wirksame, aber erlaubte Medikamente einsetzt. Gleichermassen interessant – und zudem erfreulich –
ist hier die Erforschung von offen gegebenem Placebo, das heisst, eigentlich inhaltsleere
Behandlungen, die durch ihre offene Verabreichung ethisch unproblematisch sind und zudem auch
eine klinisch bedeutsame Wirkung haben.»
Und nun müssen wir uns fragen: Wo ist in dieser Debatte die Psychotherapie positioniert?
Ist Psychotherapie ein Placebo und/oder ist das Placebo eine Psychotherapie?
Wer psychotherapeutisch tätig ist, braucht Beherztheit, sich der Placebo-Frage zu stellen.
Wir möchten Sie dazu ermutigen – aus wissenschaftlicher, klinischer und ethischer Sicht!
Im Anschluss an das Referat mit Diskussion laden wir alle zu einem Aperitif ein.
Anmeldung: info@verband-vpz.ch · Fragen beantwortet Ihnen gerne Barbara Kaufmann
Kosten: für VPZ-Mitglieder kostenlos, für Gäste CHF 50.-